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Lothar Keite

Dem Preis die erforderliche Aufmerksamkeit geben
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Der Vertrieb sollte den Preis besser verteidigen

In Preisverhandlungen ist der Vertrieb oft zu großzügig. Das ist eine starke These, die sich aber in Beobachtungen bestätigt. Kein Instrument im Vertriebsrepertoire ist so direkt erfolgswirksam wie der Preis und dessen Durchsetzung.

Die Neurowissenschaften zeigen uns die magische Wirkung des Rabatts. Unser Gehirn tickt so, dass es Belohnungsgefühle vermittelt, wenn wir einen Rabatt erzielt haben. Das ist zu beobachten bei Konsumenten, das ist zu beobachten bei professionellen Einkäufern. In der Folge gibt der Verkäufer gerne einen Rabatt, dann scheint der Verkauf schon halb getätigt zu sein.

Doch die Folgen für das Unternehmensergebnis sind zum Teil dramatisch, was nicht auf den ersten Blick deutlich wird. Das lässt sich aber schnell mit Zahlen zeigen. Wenn die zurechenbaren Kosten einer Leistung (Produkt oder Dienstleistung) erfasst sind und gleich 100% gesetzt werden, dann kann die Preisforderung als Prozentsatz der Kosten ausgedrückt werden: bei 50% Aufschlag werden 150% der Kosten gefordert, bei 30% Aufschlag werden 130% der Kosten gefordert.

Jetzt wird die Annahme getroffen, dass nach zähen Verhandlungen ein Rabatt von 10% gewährt wird. Was ist die Folge? Im ersten Fall erzielt der Verkäufer tatsächlich (150 – 10% =)135% der Kosten, im zweiten Fall 117% der Kosten.

Was aber passiert mit dem Stück-Deckungsbeitrag? Die zurechenbaren Kosten sinken nicht; sie sind ermittelt und bilden die Grundlage der Kalkulation. Der Aufschlag ist im ersten Fall von 50% auf 35% gesunken, der Verkäufer hat den Stück-Deckungsbeitrag um 30% reduziert, im zweiten Fall von 30% auf 17%, der Verkäufer hat den Stück-Deckungsbeitrag um 43 1/3% reduziert. Aus 10% Rabatt wurden also 30% bzw. 43 1/3% Minderung des Stück-Deckungsbeitrags. Das ist der Hebel des Rabatts: er wird auf Kosten und Aufschlag gegeben, kann aber nur gegenfinanziert werden durch die Reduktion des Aufschlags. Je geringer der Aufschlag ist, desto fataler ist die Wirkung.

Der Stück-Deckungsbeitrag ist zudem noch kein Gewinn. Der Deckungsbeitrag hat seinen Namen, weil er zur Deckung der nicht zurechenbaren Kosten dient. Wenn die allgemeinen Vertriebs- und Verwaltungskosten nur 20% als Gemeinkostenaufschlag erfordern, ist der Beitrag des durchgeführten Geschäfts im zweiten Fall anteilig nicht mehr ausreichend.

Oft wird dann argumentiert, dass das Geschäft zumindest einen Beitrag zur Deckung der nicht zurechenbaren Kosten leistet und es zudem vorteilhafter sei, das Geschäft zu tätigen als es nicht zu tätigen.

Darin steckt ein weiteres Problem. Einmal reduzierte Preise sind im Allgemeinen nicht mehr anzuheben. Insofern ist dauerhaft verursacht, dass der Stück-Deckungsbeitrag nicht ausreicht zur Deckung der Gemeinkostenumlage. Es lässt sich mithin nicht argumentieren, dass in einem einmaligen Geschäft eine Gewinnverbesserung durch den positiven Deckungsbeitrag erreicht sei. Vielmehr ist der Schaden dauerhaft. Das ist die langfristige Folge.

Die Denkweise des Verkäufers richtet sich darauf, möglichst hohen Absatz zu sichern. Gerne wird die Produktionsauslastung angeführt. So ist durchaus richtig, dass die Stückkosten mit zunehmender Nutzung der Kapazität sinken. Auf die Frage, ob es besser sei, 10% Rabatt zu geben oder 10% Absatzreduktion zu akzeptieren, antworten fast alle Verkäufer: lieber 10% Rabatt gewähren. Das ist unausgesprochen jeweils die Leitlinie in den Verkaufsgesprächen.

Doch ist das richtig überlegt? Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Wenn es sich um 100 Einheiten handelt, dann betragen die Gemeinkosten bei einem Aufschlag von 20% auf 100 x 100 = 2.000. Wenn in den beiden Fällen ein Rabatt von 10% gegeben wird, beträgt der Aufschlag im ersten Fall wie berechnet nur noch 35% = 3.500, im zweiten Fall 17% = 1.700 Deckungsbeitrag. Wenn die Menge auf 90 gesenkt wird, fallen nach wie vor die Gemeinkosten insgesamt an, aber nicht mehr die direkt zurechenbaren Kosten auf die Stück, die nicht produziert werden. Im ersten Fall, Aufschlag ohne Rabatt von 50%, ergeben sich bei 90 Einheiten dann 4.500 Deckungsbeitrag. Im zweiten Fall, Aufschlag ohne Rabatt von 30%, ergeben sich für 90 Einheiten 2.700 Deckungsbeitrag.

In einer Nachkalkulation wird der Gemeinkostenaufschlag auf 22,2% erhöht werden. Bei Aufschlägen von 50% oder 30% kann dieser nach wie vor gedeckt und übertroffen werden. Bei rückläufiger Menge erzielt das Unternehmen jeweils einen Gewinn, der höher ist als der Gewinn bei Preisreduktion. Im Falle der Reduktion eines Aufschlags von 30% ist das Unternehmen sogar in die Verlustzone gerutscht.

Es zeigt sich: sowohl kurz- wie langfristig ist es vorteilhafter, den Preis zu verteidigen.

Diese Überlegung kann ergänzt werden um weitere Resultate der Neurowissenschaften: bei einer Preisreduktion wird das gekaufte Gut vom Käufer anschließend geringer geschätzt. Das ist gerade für anerkannte Marken problematisch. Wenn Sie an Ihren Kleiderschrank gehen, prüfen Sie einmal, wie Sie mit  Stücken, gekauft zum Normalpreis, und mit Stücken aus Sonderangeboten umgehen. Es schwingt jeweils mit, es hat nicht so viel gekostet, also muss ich nicht so darauf achten.

Für den B2B-Bereich kommt hinzu, dass in der Folge die Preisgespräche immer auf Basis des letzten Verhandlungsergebnisses geführt werden.

Rabatte sind mithin für die Wertschätzung nachteilig.

Das letzte Argument des Vertriebskollegen entsteht oft aus der Erinnerung, dass es einen Preis – Mengen – Zusammenhang geben soll. Bei Reduktion des Preises sollte die Absatzmenge steigen und der Kunde ist zudem blockiert für Wettbewerbsprodukte. Es stellt sich die Frage: wie groß muss die Mengensteigerung eigentlich sein, um die Deckungsbeitragssenkung pro Stück auszugleichen. In dem Zahlenbeispiel beträgt der Deckungsbeitrag bei 100 Einheiten bei einem Aufschlag von 50 % insgesamt 5.000, bei einem Aufschlag von 30% sind es 3.000. Ein Rabatt von 10 % führt zu einer Reduktion des Aufschlags auf 35% im ersten Fall; um die Differenz des Deckungsbeitrags von 1.500 auszugleichen, muss die Menge um 42,9% steigen. Im zweiten Fall des Aufschlags von 30%, der bei 10% Rabatt auf 17% gesenkt wird, reduziert sich der Deckungsbeitrag um 1.300; dafür ist eine Mengensteigerung von 76,5% erforderlich. Es ist im Allgemeinen keine Preiselastizität dieses Ausmaßes zu beobachten. Zudem wird eine Reaktion auf Preissenkungen unterstellt, die meist nicht gegeben ist. Denn die Reaktion setzt die Austauschbarkeit voraus; sollte es emotionale Bindungen geben, was nach allgemeiner Erfahrung und den Ergebnissen der Neurowissenschaften menschlich ist, kann diese freie Austauschbarkeit gar nicht unterstellt werden. Das gilt auch für den B2B-Bereich, sicher weniger für Stückgut, aber auch dort kann die Verlässlichkeit eines Lieferanten ein wichtiges Argument sein.

Es gibt ein Beispiel, das auf dem Rabattfeld Wirkung erzielt hat: die Bahncard. Viele Menschen investieren in eine Bahncard, um eine entsprechende Preisreduktion zu erzielen. Hier steht vor der Nutzung des Rabatts die Investition; der Kunde hat sich damit den Rabatt selbst verdient. Insofern gab es, als die Bahncard einmal abgeschafft wurde, den Ruf nach Wiedereinführung. Es ist die erworbene Trophäe, die den Anker darstellt. Es ist nicht ein Verhandlungsrabatt.

Das kann auch auf den B2B-Bereich übertragen werden. Wenn als Gegenleistung für höhere Losgrößen ein Rabatt gewährt wird, so wird dieser auch durch eine Investition erreicht. Es steht eine Gegenleistung auf der anderen Seite.

Wichtig ist ohnehin für die Wirksamkeit von Nachlässen, dass der Wert der Leistung als Anker fungiert. Ein Rabatt wird als Belohnung erlebt, wenn der Rabattjäger darauf vertrauen kann, dass er eine Sache günstiger erwirbt. Besonders befriedigend ist das Gefühl, etwas erworben zu haben, das andere wertiger einschätzen als der Preis betrug, der gezahlt wurde. Im B2B-Bereich ist es die Überzeugung, geringere Kosten als der Wettbewerb zu haben.

Wenn der Anker aber fällt, erlischt die Wirkung. Wer kauft noch Kaffee zum Normalpreis? Im B2B-Bereich gibt es Branchen mit dramatischen Rabatt-Treppen. In diesen Fällen funktioniert der Ausgangspreis nicht mehr als Anker.

Kein Unternehmen kann sich aus den Usancen der eigenen Branche befreien. Innerhalb des so gegebenen Rahmens sollte der Vertrieb aber eher auf die Verteidigung der Preise setzen als die jeweils angeführte gedankliche Argumentation der Auslastung vorzunehmen. Wird dieses Denken gedreht, hat es sofort deutliche Wirkung auf das Unternehmensergebnis.

Wie kann das erreicht werden?

  • Der Vertrieb sollte seine Denkweise ändern. Das lässt sich nur erreichen durch eigenes Erarbeiten. Dafür sind Vertriebs-Workshops sehr gut geeignet.
  • Man erhält, was man belohnt. Insofern ist es ganz wichtig, auf eine Deckungsbeitrags-Steuerung zu setzen. Viele Unternehmen belohnen Umsatz. Das ist wie gezeigt kontraproduktiv.
  • Für das Standing in Verhandlungen werden Argumente benötigt. Hier gilt es, positive Erfahrungen zusammen zu tragen. Das kann zum wichtigen Thema der Vertriebstagungen werden, vorbereitet in speziellen Workshops.
Die Auswirkungen werden schon bald in der Gewinn- und Verlustrechnung sichtbar sein.


Autor:

Lothar Keite

 
 
 
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