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Lothar Keite

Guten Vertriebskooperationen gehört die Zukunft
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Dynamische Märkte erfordern flexible Angebote

Im Jahre 2009 meldeten Volkswagen und Suzuki eine Zusammenarbeit und die Partner beteiligten sich wechselseitig am anderen Unternehmen. Beide Unternehmen wollten gemeinsam die großen wachsenden Märkte, insbesondere Indien, erschließen. Bereits zwei Jahre später gibt es Ärger in der Partnerschaft. Es scheint nicht gelungen zu sein, einen Modus für die Zusammenarbeit bei den unterschiedlichen Unternehmenskulturen zu finden.
Die Anzahl der Kooperationen ist im letzten Jahrzehnt beträchtlich gestiegen. Die Form der Zusammenarbeit, dass sich ansonsten rechtlich selbstständig bleibende Unternehmen zur Nutzung von Chancen zusammenschließen, entspricht den Bedingungen der Märkte: wenn sich die Gegebenheiten immer schneller ändern, wird eine flexible Form der Antwort gesucht. Allerdings scheitert etwa die Hälfte aller Kooperationen und Allianzen. Selbst Großunternehmen sind davor nicht gefeit. Die Aufgabe lautet also: wie kann es gelingen, Marktchancen zu nutzen und Verbindungen von Unternehmen zum Erfolg zu führen?
Kooperationen gibt es aus verschiedenen Gründen. Oft beginnt Zusammenarbeit mit der Suche nach Einkaufsvorteilen. Die Energiewirtschaft wird in Deutschland dominiert von vier großen Unternehmen. Regional gibt es sehr viele kleinere Anbieter. Für diese Unternehmen stellt sich die Frage, wie sie in der Auseinandersetzung bestehen sollen. Die logische Antwort lautet, es ist gut zu kooperieren. So haben sich zahlreiche Versorger zusammengeschlossen, um den Einkauf zu bündeln. Einer der ersten Einkaufsverbünde nennt sich Trianel, eine sogar länderübergreifende Kooperation im Raum Aachen, die für die beteiligten Unternehmen zur Erfolgsgeschichte wurde.
Der Zusammenschluss will bei so viel Erfolg auch auf der Vertriebsseite aktiv werden mit eigenen Produkten. Das ist allerdings problematisch, weil der Verbund damit Wettbewerber der Träger wird. Es kommt für erfolgreiche Kooperationen darauf an, sich zu ergänzen. Das ist das Kernmerkmal. Erster Erfolgsfaktor für Kooperationen ist, dass das Ziel für alle Beteiligten von Anfang an ganz klar sein muss. Dabei ist zu unterscheiden:

  • Es muss ein eindeutiges Kooperationsziel geben, auf das sich die Kooperationsträger verständig haben. Diese Verständigung führt die Verbindung.
  • Jeder Beteiligte hat auch ein Individualziel. Es ist notwendig, diese Einzelziele ebenfalls zu benennen, um Klarheit zu haben und die Kompatibilität sicherzustellen.

Eine Befragung von KMU in Europa ergab, dass breitere Beschaffungsmöglichkeiten der zweithäufigste Grund für Kooperationen sind, der häufigste aber der Zugang zu neuen und größeren Märkten ( ENSR 2003 ). Ziel der Verbindung von Unternehmen ist dann, Marktchancen zu ergreifen, die sonst nicht wahrgenommen werden könnten. Dieses muss sich im Kooperationsdesign niederschlagen. Dann passt es nicht, wenn sich unmittelbare Nachbarn zusammenschließen, denn dadurch ist eine Ausdehnung von vornherein behindert. Der zweite Erfolgsfaktor ist somit, dass sich Partner zu Vertriebskooperationen verbinden, um auf einem Markt tätig zu werden, der von den Beteiligten nicht bearbeitet wird.
Ganz klassisch ist die Ausdehnung in ein anderes Land. Wie kommen Metaxa, Pitú oder Dettling Obstbrände nach Deutschland? Viele Spirituosenmarken sind zunächst groß geworden im Heimatmarkt. Die Distribution in einem anderen Land kann ein Unternehmen alleine nicht aufbauen. Fremde Produzenten greifen zurück auf im Land bestehende Vertriebsorganisationen, die in den Absatzmärkten – Handel und Gastronomie – tätig sind, in diesem Fall auf Diversa Spezialitäten GmbH. So gelangen Dettling aus der Schweiz, Metaxa aus Griechenland, Pitú aus Brasilien auf den deutschen Markt. Eine Außendienstorganisation verkauft aktiv, wenn die Produkte das angebotene Programm interessanter machen. Es bedarf klarer Spielregeln hinsichtlich Vermarktung, Vergütung und vor allem der Markenrechte. Das ist das dritte Erfolgskriterium. So sollten keine im Wettbewerb stehenden Produkte in ein Programm aufgenommen werden.
Die Distributionspartnerschaft kann auch als Swap-Geschäft getätigt werden. Zwei Anbieter, die auf nicht übereinstimmenden Märkten tätig sind, nehmen jeweils die Produkte des Anderen mit in das Programm. Es sollte keine Gebietsüberschneidungen geben. Wenn die doch vorhanden sind, ist das von Anfang an zu regeln. Gerade die Ehrlichkeit und Offenheit beim Start entscheidet schon über Erfolg und Misserfolg der Kooperation. Wer transparent beginnt, setzt die Information der Beteiligten fort. Die offene Information untereinander hinsichtlich der gemeinsamen Aktivität ist der vierte Erfolgsfaktor. Hier kann es notwendig werden, die Informationssysteme miteinander zu vernetzen.
Der nicht erschlossene Marktbereich kann auch im eigenen Land liegen. Klebstoffe haben einen Industriemarkt, vor allem die Automobilindustrie, und einen Konsumentenmarkt. Wie aber gelangen Pritt-Klebestifte und Ähnliches in die Büros, die über Fachgroßhändler versorgt werden? Dafür lohnt sich kein eigener Außendienst. Die Zielfrage lautet: Wer bedient diesen Markt, ohne gleichzeitig Wettbewerber zu sein? In diesem Fall kommen Anbieter von Schreibgeräten wie Staedtler in Frage. Damit gelangen Klebestifte auch zu den Fachgroßhändlern und in die Büros.
Die Beispiele zeigen die Erschließung neuer Marktbereiche mit bestehenden Produkten. Das ist ein sehr verbreiteter Grund für vertriebliche Kooperationen. Hier sind die Vereinbarungen miteinander relativ einfach, wenn auf beiden Seiten guter Wille gegeben ist.
Nicht immer aber sind neue Gebiete durch bestehende Produkte zu bedienen. Der Online-Bereich stellt einen neuen Vertriebskanal dar, den viele Anbieter gerne den bisherigen Absatzwegen hinzufügen. Die Bedingungen dort sind aber nicht immer identisch. Der zusätzliche Online-Kanal hat mitunter Zielgruppen, die durch die bisherigen Angebote nicht erreicht werden. Alle regionalen Energieversorger haben Online-Produkte, sind aber damit kaum über die bisherigen Marktgrenzen hinausgekommen. Erfolgreich sind eigene, ganz auf die Zielgruppe zugeschnittene Angebote. Bekannt sind hier vor allem Yello und „E wie Einfach“, einmal von EnBW, zum anderen von E.ON. Regionale Versorger wollen auch mithalten. Dafür bieten sich Kooperationen an. Besonders interessant ist ein Zusammenschluss norddeutscher Versorger zur Nordland GmbH, die unter der Marke „Drift“ Online-Produkte vermarktet. Jeder der Beteiligten behält sein Geschäft und nimmt auf diese Weise zusätzlich an einer Online-Markterschließung gegen die Töchter der großen Unternehmen teil. Keiner allein hätte diese Möglichkeit. Wichtig ist dann, dass alle Beteiligten auch bereit sind, sich für den Erfolg dieses Entwicklungsprojektes einzusetzen – personell und finanziell. Das ist der fünfte Erfolgsfaktor.
Marktchancen können in der Zukunft liegen. Dann handelt es um eine Partnerschaft, um die richtige Lösung zur Hebung des Potenzials zu erarbeiten. Alle sprechen vom Elektroauto. Dieses muss aber erst noch alltagstauglich entwickelt werden. Sobald ein Konsortium ein marktreifes Angebot vorstellen kann, wird es einen Startvorteil haben und den Markt verändern. Beachtet wurde die Bekanntgabe der Zusammenarbeit zur Entwicklung von Elektroautos von Daimler und Bosch sowie von Volvo und Siemens. Gerade Siemens geht sehr aktiv vor, wenn sich Märkte erschließen lassen. Das Haus sucht für Zukunftstechnologien aktiv nach Lösungen und Partnern, um die Chancen zu nutzen.
Vorher war das Unternehmen den Weg des Netzwerkbildens mit der AdBlue-Technolgie für große Dieselfahrzeuge gegangen. Die Automobilindustrie stand vor dem Problem, eine deutliche Reduktion der Abgase von Lkw erreichen zu müssen, die sich allein mit Motortechnologie nicht schaffen ließ. Siemens konnte eine Lösung aus dem Industriebereich auf den mobilen Bereich übertragen. Es gelang, durch Engagement alle europäischen Hersteller an einen Tisch zu bekommen. Diese Kooperationen mit vielen Partnern zur Entwicklung neuer Antworten besitzen eine Komplexität, die gerade eine Projektführerschaft durch ein Unternehmen erfordert. So ist zu beobachten, dass in der Wertschöpfungskette auf verschiedenen Stufen solche Leiter einer Angebotsbildung im Netzwerk entstehen. Das können Zulieferer, Produzenten, Dienstleister oder Händler sein.
Häufig wird bei virtuellen Netzwerken dann vom Value-Net-Integrator gesprochen. Content, Flash-Animation und Musik werden von unterschiedlichen Unternehmen für eine Website geliefert. Die Beteiligten arbeiten auf der Grundlage eines Konzeptes zusammen und können eine vollständige Leistung für Kunden erstellen.
Die Lieferung einer vollständigen und umfassenden Lösung für Kunden ist allerdings eine Anforderung in allen Märkten. Gerade dieses ist der Grund für die sehr starke Zunahme von Kooperationen und Allianzen. Unternehmen beschränken sich mehr und mehr auf ihre Kernfähigkeiten. Gefordert werden von Kunden umfassende Lösungen. Das ist mit einem Netzwerk an sich kein Thema. Ein weiterer Erfolgsfaktor muss aber unbedingt hinzukommen: Qualität. Es darf nicht passieren, dass sich niemand für das Gesamtprodukt verantwortlich fühlt.
Wie immer kommt es nicht allein auf die Instrumente, sondern auch auf die menschliche Komponente an. Zu oft gibt es zwar eine Kooperation, aber kein echtes Bekenntnis, weil der Erfolg geteilt werden muss. Zu oft werden die in der Kooperation eingesetzten Mitarbeiter nicht richtig unterstützt. Zu oft werden Mitarbeiter der zweiten Wahl mit den Kooperationen betraut. Zu oft werden Informationen zurückgehalten. Es gibt viele menschliche Gründe. Sie sind die häufigste Ursache für das Scheitern von Kooperationen.
Wer eine Kooperation eingeht, muss sie wollen. Es geht um Chancen, die sonst nicht erschlossen werden können. Dafür bedarf es der notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen. Das erfordert in der Zusammenarbeit Offenheit auf allen Seiten. Jede Beziehung entwickelt sich. Je länger die Zusammenarbeit dauert und je komplexer das gemeinsame Angebot ist, desto mehr tritt die Prozessbeherrschung an die erste Stelle der Erfolgsfaktoren. Das Ausgangsdesign darf nicht statisch sein, vielmehr kommt es auf gemeinsames Lernen im Verlaufe der Zusammenarbeit an.
Die Vielfalt der Kooperationen im Vertriebsbereich ist groß. Sie können danach unterschieden werden, ob

  • es sich eher um eine einmalige oder länger andauernde Zusammenarbeit handelt.
  • es sich eher um eine Übernahme der Leistung des Anderen oder eine Zusammenarbeit handelt, in der die Nutzung der Chance erst gemeinsam erarbeitet wird.

Insgesamt können sechs Erfolgsfaktoren für Vertriebskooperationen genannt werden:

  • Es ist eine klare Zielsetzung für die Kooperation selbst festzulegen und die Einzelziele der Beteiligten werden offen angesprochen.
  • Die Vertriebskooperation richtet sich auf Märkte oder Absatzkanäle, welche die Beteiligten sonst nicht bearbeiten, auch nicht bearbeiten wollen oder können.
  • Klare Spielregeln hinsichtlich Vermarktung, Vergütung und vor allem der Markenrechte werden vereinbart.
  • Es herrscht ein Klima der Offenheit in der Information untereinander hinsichtlich der gemeinsamen Aktivität.
  • Alle Partner bekennen sich klar zur und engagieren sich für die Kooperation – personell und finanziell.
  • Eine Qualitätssicherung durch Checks ist verabredet, vor allem aber übernehmen alle Beteiligten Verantwortung für den Erfolg.

Je länger eine Verbindung dauert und je komplexer das Projekt ist, desto mehr rückt die Prozessbeherrschung in den Vordergrund. Es ist zu empfehlen, in regelmäßigen Abständen in Workshops Aufgaben- und Problemstellungen der Kooperation durch Teams aller Partner zu bearbeiten. Lernen und Entwickeln sind so systemimmanent. Mit der Sicherstellung der Erfolgsfaktoren bieten Kooperationen dann in der heutigen Marktdynamik eine gute Chance, flexibel auf veränderte Kundenwünsche bei gleichzeitig begrenztem Risiko für die Kooperationspartner zu reagieren. Eine zukunftsweisende Wirtschaftsform!.


Autor:

Lothar Keite

 
 
 
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