Lothar Keite
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Der Weg in eine gute Zukunft:
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Strategieentwicklung gelingt nur durch Überwindung des Tagesgeschäftes
Ein bekanntes Märchen in den USA ist der Zauberer von Oz, geschrieben von Lyman Frank Baum. Erzählt wird die Geschichte des kleinen Mädchens Dorothy, die mit ihrem Hund Toto aus ihrer Welt gewirbelt wird und den Weg zurück nach Hause sucht. Sie hat von dem Zauberer von Oz gehört und hofft, dass dieser ihren Wunsch erfüllen kann. Unterwegs trifft sie eine Vogelscheuche, die gerne Verstand hätte, einen Blechmann, der gerne ein Herz hätte und einen feigen Löwen, der gerne Mut hätte. Sie alle folgen Dorothy und ihrer Hoffnung auf den Zauberer.
Diese Kindergeschichte wird in dem Buch „The Oz Principle“ zum Bild für den falschen Managementansatz: es geht nicht darum, auf etwas – etwa eine neue Managementidee – als Glücksbringer zu vertrauen, sondern es geht darum, selbst die Dinge zu erkennen und geeignete Maßnahmen zusammen mit den Beschäftigten im Unternehmen in die Wege zu leiten. Es gilt, den Abwärtskreislauf der Entschuldigung und der Opferrolle zu durchbrechen und die Aufwärtsspirale der Verantwortung und Gestaltung zu übernehmen.
Das ist oft nicht einfach. Diejenigen, die in einer Gruppenstruktur mit ihrer eigenen Kultur gefangen sind, haben vielfach Schwierigkeiten, die problematischen Verhaltensweisen, die sich eingeschlichen haben, zu erkennen. Die Handlungsweisen werden so, wie sie jeden Tag ablaufen, für allgemein gültige Handlungsweisen gehalten. Das ist natürlich nicht so. In jeder Organisation gibt es eigene Spielregeln – offensichtliche und tiefer sitzende. Wie häufig passiert es auch, dass sich in einem Arbeitsteam aufgrund der innewohnenden Gruppendynamik ein Ergebnis als Konsens ergibt, das von der Unternehmensumwelt als fremd und wenig überzeugend eingestuft wird!
Dafür kann es zwei Gründe geben:
- Die Scheuklappen der Beteiligten sind so groß, dass sie sich nur noch in einer eigenen Welt bewegen.
- Die Beteiligten sind nicht in der Lage, Andere von ihrer Lösung zu überzeugen.
Beide Punkte verlangen Reflexion. Sie erfordern den Blick darauf, wie Märkte sich entwickeln, wie sich Kundenwünsche verändern. Sie erfordern den Blick darauf, wie Andere reagieren.
Viele Unternehmen sind gescheitert, weil sie nicht gesehen haben, dass ihr Geschäftsmodell in der bestehenden Form kein Wachstum mehr versprach und angepasst werden müsste. In „The Oz Prinziple“ zeigen die Autoren den Weg aus der Falle am Bespiel der Weggabelung von Intel. Ursprünglich war das Unternehmen erfolgreich mit Speicherchips gestartet. Mehr und mehr Wettbewerber erschienen im Markt und versetzten Intel in einen ruinösen Preiswettbewerb. In dieser Situation fragte CEO Andy Grove seinen Kollegen COO Gordon Moore: „ Wenn wir gefeuert würden und ein neuer CEO käme, was würde der machen?“ Die Antwort hatte ein Umsteuern von Speicherchips auf Mikroprozessoren zur Folge, bis heute eine weise Entscheidung.
Was steht am Anfang dieser strategischen Weichenstellung? Sie beginnt mit der Fähigkeit, sich außerhalb des eigenen Unternehmens zu stellen. Die Frage hier, mit der dieses eingeleitet wird, war, was würde ein Neuer machen. Hier wurde die Rolle einer anderen Person eingenommen. Und genau darin liegt der Gewinneransatz! Das lässt sich institutionalisieren. Es ist empfehlenswert, in regelmäßigen Abständen Workshops zu organisieren, die den Außenblick schaffen. Wer zukunftsgerichtete Entscheidungen treffen will, muss in der Lage sein, den Weg des Unternehmens kritisch zu analysieren, was bedeutet, sich so weit wie möglich von der Innensicht zu lösen.
Ein Unternehmen kann wie ein Organismus betrachtet werden. Vieles hat sich eingeschliffen. Vieles schleift sich schnell ein. Ein Personalmanager in einem großen Unternehmen meinte zu zwei Neueinstellungen: „Es ist erstaunlich, nach welch kurzer Zeit die beiden talentierten Nachwuchskräfte im Grunde in gleicher Weise wie die alten Hasen argumentieren.“ Eine Organisation nimmt ihre Mitglieder ganz schnell auf, sie werden Teil, sie nehmen ihre Rolle ein. Eine Organisation nimmt mit auf ihren Weg. Aber ist die Organisation auf dem richtigen Weg?
Dazu bedarf es des Herausgehens – im übertragenen Sinne. Es bedarf des Blickes von außen, wo steht das Unternehmen, wo läuft es hin. Das sind die notwendigen ersten Fragen von Workshops, die idealerweise organisiert werden in Zusammensetzung von internen und externen Teilnehmern. Bei aller Zuversicht, sich selbst von dem Innenblick lösen zu können, sollten nicht in der Organisation eingebundene Teilnehmer helfen, den Außenblick sicherzustellen. Experten und Manager sollten zusammenkommen, denn es geht um Inhalt und um Führung. Es gibt Branchen, in denen sogar die Teilnahme eines Wettbewerbers möglich ist. Entscheidend ist die Bereitschaft aller Teilnehmer, den Blick auf das Unternehmen zuzulassen.
Nach der Analyse schließt sich der Prozess des Planens an. Mit welchem Konzept will das Unternehmen vorangehen? Management bedeutet immer, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Die längerfristigen Entscheidungshorizonte müssen frei sein von aktuellen Kleinigkeiten und können deshalb nur außerhalb des Tagesgeschäfts entwickelt werden. Wer sich nicht neben sein Unternehmen stellen kann, ist auch nicht in der Lage, strategische Entscheidungen zu treffen. Deshalb sollte der Einbezug externer Manager oder Berater ebenfalls dazugehören. Wesentlicher Erfolgspunkt von Analyse und Konzept ist gerade der Blick wie aus einem Raumschiff. Dieses muss organisiert werden. Es bedarf eines geschickten Ablaufplanes auf diese Zielsetzung hin und einer guten Moderation.
Die strategische Ausrichtung ist Gegenstand eines kreativen Managementprozesses auf Basis einer guten Analyse. Diese Aufgabe ist Königsaufgabe der Führung, das ist ihre Verantwortung. Es bleibt nach der Entwicklung die Prüffrage: Ist das Konzept plausibel? Welche Konsequenzen sind damit verbunden? Die Auswirkungen der einzelnen Konzeptumsetzungen müssen überlegt werden. Gibt es günstige, gibt es ungünstige Konstellationen? Erst auf dieser Basis sollten Entscheidungen getroffen werden. Die strategische und damit entscheidende Führung kennt neben dem Prinzip, durch Außensicht ein Höchstmaß an Objektivierung als Grundlage zu gewinnen, als zweites das Prinzip der Verzögerung, um die Stimmigkeit und Tragfähigkeit zu prüfen. Denn nach der Entscheidung ist das Ziel fixiert, das der Tanker ansteuern wird. Untiefen können besser vorher ausgelotet werden, um den Kurs erfolgreicher einhalten zu können.
Die strategische Ausrichtung ist aber am Ende nur wert, was die Kunden davon erfahren. Es gibt eine sehr große Umsetzungslücke. Das liegt an der Eigendynamik einer Organisation. Welche Art und Weise des Agierens herrscht in dieser Unternehmung?
Auch diese Frage bedarf des Herausgehens aus dem Unternehmen. Sie kann kaum von den Führungskräften allein beantwortet werden, da sie Grund für die Verhaltensweise sind: der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf. Das Management muss bereit sein, die Frage zuzulassen und zu diskutieren. Dieses muss vorbereitet werden durch Beobachtung und Recherche. Zwei generelle Arbeitsweisen lassen sich unterscheiden:
- Eine Kultur der Verantwortungsübernahme, des Entwickelns und Lösens.
- Eine Kultur der Ausreden, Entschuldigungen und des Erklärens.
Generell gilt, dass Mitarbeiter eine Sache nur dann zu ihrer Sache machen, wenn das aus deren Sicht passt. Das ist ein ganzheitlicher Empfindungsprozess von „es macht Sinn“ über „es macht mir Spaß, dabei zu sein“ bis zu „ich kann dazu etwas beitragen“. Motivation ist ein innerer Prozess. Sehr schön hat ihn Heckhausen mit seinem Rubikon – Modell beschrieben : bevor sich jemand einsetzt, entsteht innerlich ein Gefühl der Annahme. Erst wenn dieses Gefühl des „Ja, ich bin dabei“ den Mitarbeiter beherrscht, wird er engagiert mitmachen. Er muss erst über den Rubikon der inneren Zustimmung:
Damit eine Gruppe den Rubikon überschreitet, wenn in der Gruppe bereits eine Verantwortungskultur herrscht, bedarf der Gewinnung und Überzeugung. Immer muss den Mitarbeitern Zeit gegeben werden zur inneren Übernahme. Das kann nicht sofort erfolgen und kann auch nicht per mail eingeleitet werden. Es gibt tatsächlich Manager, die eine erhebliche Strategieänderung entwickelt und im Führungsgremium beschlossen haben, sie dann gerade einmal per Intranet kommunizieren. Immer gehört ein Ansatz zur Gewinnung der Mitarbeiter dazu. Sonst springt das Management zu kurz, landet unsanft. Das ist ein Handwerksfehler, der leider in einer Zeit der Beschleunigung oft vorkommt. Dabei ist die Gewinnungsmaßnahme doch implizit auch ein Zeichen der Wichtigkeit. Dieses sollte ein Management für wesentliche Schritte schon senden, im eigenen Interesse.
Schwierig wird es allerdings in einer Kultur der Vermeidung und Ausrede. Dann herrschen Ängste vor und es kommt zu der eingeübten Kette, die sich verstärkt, Gründe für die Unmöglichkeit, dass es nicht funktionieren kann, zu finden. Maßnahmen landen erst einmal in dem Sumpf der Ausreden und wären schon beim Start unweigerlich am Ende. In diesem Fall ist der Weg zu einer erfolgreichen Strategieumsetzung lang. Er führt von dem Überwinden der Abwärtsspirale zu einer Gewinnung für die Strategieausrichtung. Dabei ist die erste Phase, die Überwindung der Abwärtsspirale von Ausflüchten und Entschuldigungen, der steinige Weg, der sehr lange dauert, um zu der Aufwärtsspirale von Mitmachen und Anpacken zu kommen.
Der Virus der Abwärtsspirale hat die meisten Unternehmen mehr oder weniger stark befallen. Er kommt ganz leise. Am Anfang stehen erste berechtigte Entschuldigungen, warum Ziele nicht erreicht wurden. Die Erklärungen und Entschuldigungen nehmen zu, sie verstärken sich. Irgendwo ist eine Grenze überschritten und schon bald ist es keine Grenzüberschreitung mehr, sondern der Normalfall. Ein Unternehmen kann nur gesunden, wenn es diesen Virenbefall weitgehend überwindet. Es muss eine Kultur der Verantwortlichkeit wieder hergestellt werden. Es fallen durchaus Beispiele ehemaliger Staatsunternehmen ein, in denen gerade dieses das zentrale Veränderungsproblem war. Nur sollte kein Manager glauben, dass in anderen Unternehmen dieser Virus nicht auch an der Tagesordnung ist.
Die Wende in den Einstellungen lässt sich nicht anordnen. Sie muss aus der Mitarbeiterschaft heraus entwickelt werden. Ein geschicktes Vorgehen ist die Unterteilung in wesentliche Teilschritte, die von Arbeitsgruppen erarbeitet werden. Natürlich greift auch hier am Anfang der Virus zu. In kleinen Arbeitseinheiten lässt er sich aber schneller einfangen und die Gruppe aus dem Stadium, warum es nicht geht, hinführen zu dem Stadium, was denn statt dessen gemacht werden könnte. Es kommt darauf an, dass die Beteiligten ihre Energie nicht länger darauf zu verwenden, was nicht geht – und darin steckt oft ein Höchstmaß an Kreativität! -, sondern auf Lösungsorientierung umzuschalten. Mit geschickter Workshoparbeit kann ein Umlenken erreicht werden. Damit werden einzelne Zellen entwickelt, die wie Hefe wirken und in ihren Umgebungen einen Ruck auslösen. Parallel bedarf es der gleichen Ausrichtung der Anreize, intrinsisch und extrinsisch. Auch das Management muss seine aktive Rolle in dem Prozess übernehmen und das heißt auch, die Führungsweise verändert justieren. Jetzt ist der Punkt erreicht, um die Teile zu einer strategischen Ausrichtung zusammen zu binden. Erst kommt die Herstellung der Verantwortungskultur, dann sind Strategieumlenkungen möglich. Das ist der normale Weg einer Strategieänderung.
So zeigt sich, dass eine Strategieentwicklung zunächst nur von außen möglich ist. Es ist die wichtigste Eigenschaft des guten Managers, sich gedanklich auch neben sein Unternehmen stellen zu können. Das kann als regelmäßige Einrichtung institutionalisiert werden. Es ist mehr als ratsam, sich dazu Verstärkung durch nicht involvierte Manager und Experten zu sichern.
Änderbar ist eine Strategie dann nur von innen. Voraussetzung ist die Bereitschaft, selbstkritisch die Art und Weise, wie das Unternehmen tickt, zu hinterfragen. Es bedarf des Überschreitens des Rubikon, was bedeutet, dass die Mitarbeiter innerlich Ja sagen zu der Strategie. Der Verstoß gegen diesen Grundsatz führt dazu, dass so viele Strategien nicht wirklich Realität werden. Wer es aber geschafft hat, die Mannschaft über den Rubikon zu führen, wird mit einer engagierten Belegschaft die Strategie erfolgreich umsetzen. Und endlich gelangt der Strategieansatz bis zu den Kunden und verbessert die Zukunftsaussichten des Unternehmens! Das ist ein seltener Fall geworden. Der Teufel steckt eben in der Umsetzung. Das Mädchen Dorothy findet den Weg erst zurück, als sie erfährt, dass sie auf den eigenen Schuhen, die sie bereits trägt, zurück nach Hause kommt. Das ist ein schönes Bild dafür, dass es um die Entdeckung der eigenen Kräfte und deren Nutzung geht.
Zusammenfassend besteht die Strategiearbeit notwendig aus vier Teilschritten:
- Wo stehen wir?
- Wo wollen wir hin?
- Wie kommen wir dorthin und wie sind die Auswirkungen unserer Strategie?
- Wie schaffen wir es, die Strategie umzusetzen?
Wer diese Schritte fundiert und passend geht, kann das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen.
Vgl. Connors, Roger, Smith, Tom, Hickman, Craig, The Oz Principle, revised and updated New York 2010.
Vgl. Heckhausen, Jutta, Heckhausen, Heinz (Hrsg. ), Motivation und Handeln, 4. Auflage, Berlin 2010.
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