Lothar Keite
Drei Brücken führen zum Vertriebserfolg |
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Warum kann der Vertriebserfolg vieler Energieversorger verbessert werden? |
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Der Wettbewerb in den liberalisierten Energiemärkten hat zu interessanten Neueinführungen geführt: neue Marken wie Yello, E wie Einfach, Entega, Clevergy, Drift oder neue Produkte wie Jürgen oder Knövi. Doch bei genauer Betrachtung muss konstatiert werden, dass die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück bleiben. Es drängt sich auch der Eindruck auf, dass Produkteinführungen in anderen Branchen oft erfolgreicher sind. Woran liegt das?
Markterfolge haben drei Voraussetzungen: Grundlage ist das passende Angebot, Verstärker ist die geeignete Kommunikation und Erfolgsbringer ist das Vertriebskonzept. Es sind also drei Brücken, über die ein Absatzmanager gehen muss, will er Erfolg erzielen.
Zunächst fällt auf, dass im Energiebereich weiterhin fast durchgängig rein Energie angeboten wird. So gibt es günstige Energie, Online-Energie, grüne Energie; das Angebot hat die Kleider gewechselt, ist aber nicht neu. Alle anderen Branchen haben gelernt, die Kreise weiter zu ziehen. So ist es Standard, dass nicht mehr ein Produkt, sondern Lösungen angeboten werden. Diese umfassen im Kern das Produkt und dessen Leistung, als zweiten Kreis Produkt begleitende Services und als dritten Kreis Produkt ergänzende Dienstleistungen. Die Unterscheidung zwischen Services und Dienstleistungen wird anders als im Englischen danach vorgenommen, ob es sich um selbstverständliche Hilfestellungen handelt, die nicht gesondert in Rechnung gestellt werden, die Services darstellen, oder um zusätzliche Leistungen, die auch in Rechnung gestellt werden, die Dienstleistungen sind. Während viele Bereiche den Schritt in neue, umfassendere Produktdefinitionen vorgenommen haben, sieht sich die Energiewirtschaft nach wie vor meist als Energielieferant. Erst die Neuausrichtung hin zu Lösungen und zu einem echten Dienstleistungsanbieter ermöglicht wirkliche Markterfolge. Damit wird der klare Wettbewerbsvorteil regionaler Nähe genutzt. Nationale Anbieter haben es schwer, ein Dienstleistungsangebot national zu etablieren. Regionale Anbieter können gerade durch eigene Angebotsmöglichkeiten, aber auch durch Schaffung und Qualitätssicherung eines Angebotsnetzwerkes vor Ort eine umfassende Versorgung aufbauen, die nationale Anbieter niemals kontern können. Diese Chance gilt es zunächst durch gute Produktentwicklung zu nutzen. Basis aller Absatzmaßnahmen ist immer die Produktpolitik. Das Produktprogramm muss ein Lösungsprogramm mit überschaubaren Lösungsangeboten sein. Kunden geraten in Abwehrhaltung, wenn sie die Struktur eines angebotenen Programms überfordert. Mehr als sieben Verarbeitungseinheiten kann kein Mensch gleichzeitig bewältigen. Das ist damit eine Regel für die Ausgestaltung des Produktprogramms. Es stellt die erste Brücke dar, die der Absatzmanager nehmen muss, wenn er Erfolg haben will. Sie bildet den unverzichtbaren Ausgangspunkt. Ist das Angebot relevant, kann es vermarktet werden.
Das Stromprodukt „Jürgen“, das in Ostwestfalen auf den Markt gebracht wurde, stellt einen interessanten neuen Ansatz dar. Hier wird Strom mit einem der Region zugehörenden Eigennamen versehen und das Versprechen lautet ökologisch wertvoller Strom aus der Region. Dadurch wird die technische Sicht überwunden und eine emotionale Ebene erreicht. Eine Person tritt ein in den Haushalt, eine Person sorgt für das Wohlfühlen und Funktionieren. Eine Person gibt Sicherheit. Eine Person ermöglicht eine persönliche Beziehung.
Damit sind die wesentlichen Parameter genannt, die für Kunden wichtig sind: erstens kann nur eine emotionale Zuwendung eine Beziehung aufbauen, zweitens geht es im Energiebereich vor allem um ein Gefühl der Sicherheit und Verlässlichkeit. Alle tiefenpsychologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Energieversorgung als Voraussetzung heutiger Existenz verstanden wird. Die entscheidende zweite Brücke ist die Brücke zur Emotionalität und damit zu einer emotionalen Kommunikation. Wer argumentiert, hat schon verloren. Wer in ehrlicher Weise Sympathie aufbaut, hat eine Chance geschaffen. Der Zielwert der Kommunikationsaktivitäten heißt Sympathie.
Warum hat aber „Jürgen“ wenig Erfolg, wenn die Kommunikation so interessant ist? Liegt es doch daran, dass die falsche Art und Weise, die nicht zu Energie passt, gewählt wurde? Eindeutige Antwort aus der Kundenreaktion: es ist ein sympathischer Zugang, der alle Türen zum Vertriebserfolg öffnet. Allein es fehlt die Vertriebsstrategie. In einer Welt, in der jeder im Grunde alles hat, wird nur in extrem emotionalen Bereichen erreicht, dass Kunden selbst nachfragen. In allen anderen Bereichen muss eine gute Vorbereitung, die durch Produkt und emotionale Kommunikation erfolgt, zum Abschluss gebracht werden durch einen aktiven Vertrieb. Die Tür ist geöffnet. Das ist wichtig. Es genügt dann nicht, Bestellkarten per Direct mail zu verschicken, sondern es muss aktiv verkauft werden. Entega als Beispiel geht wenigstens den Weg, in den Zielmärkten eine Anlaufstelle zu schaffen. Das ist ein Schritt mehr als bei den meisten Energieanbietern, die in einen neuen Markt gehen. Zu einer Vertriebsstrategie, die Erfolg haben will, gehört allerdings noch mehr, ist von dem Anlaufpunkt aus ein Konzept erforderlich, wer soll wie angesprochen werden. Erst ein aktiver Vertrieb kann Markterfolge realisieren. Es darf nicht gewartet werden, bis dass nach den vorbereitenden Maßnahmen Kunden von selbst kommen.
Vertrieb wird in Energieunternehmen oft gleich gesetzt mit dem Kundencenter. Das ist Teil des Vertriebes, in der Sprache der anderen Unternehmen der Vertriebsinnendienst. Hinzu kommt ein Vertriebsaußendienst, womit nicht die Kundenservicekräfte – auch hier ein sprachlicher Unterschied - gemeint sind. Sie helfen im Vertrieb und sollten sich dieser Aufgabe bewusst sein. Sie sind aber nicht die Vertriebsaußenorganisation. Das ist andererseits auch kein Plädoyer für Drückerkolonnen, wie sie von manchen Anbietern eingesetzt werden. Wer regionaler Partner sein will, muss sich gerade im Vertrieb partnerschaftlich aufstellen. Vertrieb als die Realisation der Wertschöpfung gehört zu den zentralen Aufgaben eines Anbieters. Gerade die zentralen Aufgaben darf niemand aus der eigenen Hand geben. Das Prinzip des Outsourcing muss seine Grenze dort finden, wo die zentralen Unternehmensaufgaben und –interessen berührt werden. Es ist fahrlässig, Kunden einen Ansprechpartner zu schicken, der gar nicht zum Unternehmen gehört. Die Vertriebsorganisation in Aufbau und Ablauf bildet den letzten Knoten vor der letzten Brücke zum Markterfolg. Kundenorientierung und Kundenpflege sind eine Frage des Verständnisses, aber auch eine Frage der Organisation. Hier haben viele Energieversorger noch eine Aufgabe. Es gilt, die eigene Vertriebsorganisation im Sinne des Vertriebskonzeptes zu gestalten. Nach deren Bewältigung kann der Vertriebserfolg erheblich verbessert werden.
Was bedeutet das Prinzip der drei entscheidenden Brücken nun für einen regionalen Energieanbieter?
- Die erste Brücke: Ein Energieversorgungsunternehmen muss sich als Dienstleistungsanbieter verstehen und bekennen. Es kommt darauf an, das Produktprogramm systematisch zu einem Lösungsprogramm aufzubauen. Das darf nicht eine unüberschaubare Vielfalt aufweisen , sondern muss modular in verständlichen Einheiten strukturiert sein.
- Dann muss die zweite Brücke zur Emotionalität genommen werden. Die technische Kommunikation mit Begründungen und Erklärungen, die zwar richtig sind, aber implizit den Eindruck vermitteln, hier stimmt etwas nicht, muss beendet werden. Es bedarf eines emotionalen Versprechens, das in allen Maßnahmen auch zu erkennen ist. Oft wird Kommunikation als Anstrich verstanden. Kommunikation muss ganzheitlich als etwas, das alles durchdringt, verstanden werden.
- Die dritte Brücke führt zur Vertriebsstrategie. Energieversorgungsunternehmen neigen nach wie vor dazu, auf Kunden zu warten. Vor gut zehn Jahren haben die Autohäuser ihre Berater zum Kunden geschickt. Heute müssen die Energieversorger diesem Beispiel folgen. Wer wartet, wartet in aller Regel vergeblich. Es gewinnt derjenige, der auf die Kunden zugeht. Dafür muss sich das Unternehmen organisieren und vorbereiten. Vertrieb ist die Kernaufgabe des Versorgungsunternehmens.
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