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Lothar Keite

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Erfolgreicher mit Neuromarketing

Kunden kann man nicht gut genug verstehen

Der Test war aus der Werbung bekannt: blind verkostet werden Pepsi- und Coca-Cola etwa zu gleichen Anteilen gewählt, mit Markenzuordnung aber Coca-Cola deutlich bevorzugt – Beweis für die Stärke der Marke. Im Jahr 2004 aber führten Samuel McClure und Kollegen den Test mit Probanden im Hirnscanner durch. Was war zu sehen? Wenn die Probanden vorher wussten, dass es sich um Coca-Cola handelt, waren Belohnungszentrum und Gedächtnisareale im Kopf stark durchblutet. Der Schluss: Starke Marken aktivieren das Belohnungszentrum und werden gespeichert.
Das war der Durchbruch in der Aufmerksamkeit für die Neurowissenschaften. Inzwischen werden immer mehr Ergebnisse veröffentlicht, die klassischen rationalen Erklärungen widersprechen:

  • Probanden verkosten verschiedene Weinproben. Tatsächlich ist es immer der gleiche Wein. Ihnen werden zu den einzelnen Weinproben jeweils unterschiedliche Preise für den Wein genannt. Die Probanden geben nicht nur an, dass die „höherpreisigen“ Weine besser schmecken, diese aktivieren auch sichtbar im Hirnscanner das Belohnungssystem. Eine andere Sicht auf die Bedeutung des Preises.
  • Probanden testen Schmerztabletten. Eine Gruppe erhält die Tabletten zum normalen Preis, eine Gruppe mit deutlichem Rabatt. Die Wirkung der Tablette ist in der Rabattgruppe signifikant niedriger als in der Normalpreisgruppe. Eine andere Sicht auf die Bedeutung des Rabatts.
  • Käufer in einem kleinen Supermarkt kaufen normalerweise für vier Euro ein. In einem Test wird einer Probandengruppe ein Bonus von einem Euro auf sechs Euro Umsatz versprochen und der Durchschnittsbon steigt. Einer zweiten Probandengruppe wird ein noch günstigeres Angebot gemacht: sie erhält einen Euro auf jeweils zwei Euro Umsatz und der Durchschnittsbon wird kleiner. Eine andere Sicht auf Bonussysteme.

So wird manche der bisherigen Annahmen für die Marketingarbeit besser erklärt, manche stellt sich neu heraus, manche muss geändert werden. Marketing kann nicht bleiben wie es war. Gilt das nur für den Konsumgüterbereich?
Der Geschäftsführer eines Unternehmens hatte eine gute Idee. Wenn mit einem Autohaus über die gesamte Autoflotte des Außendienstes verhandelt wird, gibt es noch bessere Rabatte. Mit dem befreundeten Opel-Autohaus erzielt er einen wirklich guten Abschluss. Können Sie sich den Aufruhr auf der nächsten Außendienstkonferenz vorstellen? Obwohl doch der Opel Insignia zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat und es sich eigentlich nur um ein Arbeitsmittel handelt. Die Außendienstmitarbeiter fahren heute noch „ihr“ Auto.
Haben Sie schon einmal bei einem mittelständischen Unternehmer argumentiert, dass Sie gerade bei dem benachbarten Unternehmen einen Abschluss getätigt haben, und waren erstaunt, wie schnell der Auftrag heute zustande kommt?
Wer im Absatzbereich tätig ist, interessiert sich notwendig für die Kunden und ihr Verhalten. Die Konsumentenforschung liefert heute durch die Neurowissenschaften mehr Einblicke in die Vorlieben und Ziele der Kunden. So wandelt sich Marketing zu Neuromarketing, um noch besser auf die Kunden zuzugehen und erfolgreicher zu sein:

  • Menschen behalten und entscheiden nicht rein rational, beteiligt ist dabei immer auch das Emotionssystem. Die Entscheidung läuft intern ganz schnell und unbewusst ab. Deshalb ist es wichtig, Botschaften mit positiven emotionalen Ankern zu versehen.
  • Menschen streben nach mentaler Belohnung. Diese wird empfunden, wenn sich ein angenehmes inneres Gefühl einstellt. Kauf erfolgt mit dem Ziel, Belohnungen zu erreichen. Die Belohnungsmuster sind unterschiedlich und unterscheiden die Kunden.
  • Das angenehme innere Empfinden entspringt der Vorstellung im Kopf, was mit dem Kauf erreicht wird. Dieses hängt auch von der Vorstellung ab, wie Andere darauf reagieren.

Damit ist die Vorstellung der Nutzenstiftung umzuwandeln in die Vorstellung, welche mentalen Konzepte mit dem Kauf verbunden werden. Der amerikanische Verhaltensökonom Dan Ariely hat den Begriff „Conceptual Consumption“ geprägt. Es gilt zu verstehen, dass Kunden nicht in erster Linie physischen Nutzen, sondern Nutzen für das persönliche Konzept suchen. Menschen haben unbewusst ein Lebenskonzept. Nach diesem Selbst-Bild versuchen sie, sich, ihr Leben und ihre Wirkung auf Andere zu gestalten.
Was hat das mit einem Einkaufprozess im B2B-Bereich zu tun? Bekannte Marken haben in Einkaufsprozessen den großen Vorteil, dass der Einkäufer kein Risiko nach dem Kauf erwartet, indem er kritisiert wird für die Wahl dieses Unternehmens. Conceptual Consumption verändert Marketing in allen Bereichen, ganz konkret und ganz praktisch.
Gutes Marketing beginnt immer mit einer fundierten Marktforschung. Die verstärkte Zuwendung zu qualitativer Marktforschung erfolgt seit Jahren. Jetzt ist sie weiterzuentwickeln in noch stärker psychologische Ansätze, die in der Lage sind, die Zielgruppen nach ihren mentalen Konzepten zu unterscheiden. Wenn das gelingt, können etwa Produkte und Kommunikation besser auf die einzelnen Zielgruppen zugeschnitten werden. Drei Wege werden momentan verfolgt:

  • Aus der Psychotherapie kommt der Ansatz der emotionalen Nähe. Es wird ermittelt, wie nah oder wie fern die Marke zu einem Kunden steht.
  • Aus der Psychoanalyse kommt der Ansatz, nur mit Bildzuordnungen zu arbeiten, um sprachliche Umsetzungen, die immer über den Verstand gefiltert werden, überflüssig zu machen.
  • Assoziationstests werden so umgestaltet, dass der Schwerpunkt auf Zuordnungen zu persönlichen inneren Konzepten liegt.

So werden die Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften in der praktischen Marktforschung angewendet. Alle drei Ansätze sind Ziel führend und verbessern die Kundenansprache. Die Umsetzung erstreckt sich auf sämtliche Marketing-Mix-Bereiche.
In der Produktpolitik kann das Design im Sinne der mentalen Konzepte optimiert werden. So gibt es ein interessantes Phänomen: Wer ein Smartphone kauft, wählt in aller Regel eines mit vielen Funktionen. Das ist in der sozialen Gruppe für die Anerkennung sehr wichtig. Im praktischen Betrieb nervt die meisten User die Unzahl an Features, sie führen sogar zu einer zunehmenden Distanz zum Produkt. Die Aufgabe an die Designer lautet also: viele Features einzubauen, die im täglichen Leben durch Unterordnung keine Rolle spielen.
Am meisten profitiert heute die Wirksamkeit der Kommunikationsmaßnahmen von den Neurowissenschaften. Die Bedeutung von Bildern war bekannt. Wichtig ist die inhaltliche Übereinstimmung. Es darf nicht irgendein Bild sein, sondern es muss ein Bild sein, mit dem die Botschaft zum Ausdruck gebracht wird. Noch besser ist eine Geschichte rund um das Produkt, aus der hervorgeht, dass das mentale Konzept der Zielgruppe erfüllt wird. Noch besser ist die Umsetzung nicht nur mit bewegten Bildern, sondern unter Nutzung aller Sinne. Die Aufladung wird dann nicht nur additiv, sondern multiplikativ verstärkt. Wie läuft in einer Bäckerei das Wasser im Mund zusammen, wenn der Backgeruch in der Luft liegt!
Ein wichtiges Thema ist die Preispolitik. Kunden – auch im B2B-Bereich – haben ein Gefühl für Fairness. Ein Berliner Restaurant hat die Kunden selbst bestimmen lassen, wie viel ihnen Essen und Trinken wert war. Die Kunden haben mehr bezahlt als nach der sonst eingesetzten Karte. Wer Fairness ganz nach oben stellt, ist empört, wenn Fairness verletzt wird. Dieses Gefühl entsteht durch Verstecktes im Kleingedruckten. Still schweigende Vertrags-verlängerungen um ein Jahr bei der Telekom oder Tarifänderungen erst auf Anfrage bei einzelnen Energieversorgern etwa haben das Verhältnis zum Unternehmen dauerhaft zerstört.
Der Verkauf profitiert ebenfalls von den neuronalen Forschungen. Zunächst einmal muss die bekannte AIDA-Formel in Frage gestellt werden. Wenn ein Produkt keinen Nutzen im mentalen Konzept verspricht, kann noch so viel argumentiert werden, es werden nur Widerstände erzeugt und keine Aufmerksamkeit. Kunden filtern Informationen danach, ob sie relevant sind – relevant gemessen am mentalen Konzept. Wenn die Kundenansprache den wahren Entscheider, das Emotionssystem, berücksichtigt, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich höher.
Die Neurowissenschaften haben der Konsumentenforschung einen neuen Schub gegeben. Es stellt sich die Frage: Handelt es sich eher um einen kurzzeitigen Hype, wie er so oft bei Managementansätzen vorkommt, oder ist es etwas Dauerhaftes?
Die Konsumentenforschung ist und bleibt die Grundlage des Marketing. Neuropsychologie und Neurobiologie liefern zusätzliche Einsichten in menschliches Verhalten, die ein noch besseres Verständnis für die Kunden schaffen. Je passender eine Maßnahme für eine bestimmte Zielgruppe gestaltet wird, desto erfolgreicher ist sie. Das ist nachgewiesen und ökonomische Grundlage des Marketing. Das wird mit der Anwendung der Neurowissenschaften erreicht. Schon heute können die Erkenntnisse mit ganz praktischen Instrumenten in die Kundenanalyse einbezogen werden. Kunden kann man nicht gut genug verstehen.

 

 

Autor:

Lothar Keite

Vgl. McClure, Samuel M., Li, Jian, Tomlin, Damon, Cypert, Kim S., Montague, Latané M., Montague, P. Read, Neural corralates of behavioural preference for culturally familiar drinks, Neuron 44, 2004, S. 379 - 387.

Vgl. Ariely, Dan, Norton, Michael I., Conceptual Consumption, in: Annual Review of Psychology, Volume 60, 2009, S. 475- 499.

 
 
 
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